09 April 2007

Familie am Wendepunkt

Störgeräusch
Martin Pichlers dritter Roman über eine (fast) normale Familie am Wendepunkt stellt nach dem Tod der allgegenwärtigen Mutter Normalität in Frage

Die Geschichte von Philipp, dem schwulen Sohn von Franz und Margareth, wird mit rasantem Blickwechsel erzählt. Störgeräusche unterbrechen konstant den Fluss der Erzählung ebenso wie das Leben der Figuren: Ein Handy kontrolliert den Vater zu Lebzeiten der Mutter, deren Stimme nach ihrem Tod Vater und Sohn nicht los lässt. Eine schwere Herzkrankheit bedroht das Leben des Vaters. Normalität ist oft Tabu brechender als das Außergewöhnliche, so der Südtiroler Autor, der seinen Text im Grenzland ansiedelt: Sein Südtirol ist Nahtstelle von Kulturen, Volksgruppen, Sprachen und sexuellen Identitäten. Italienische Sequenzen beleben den Roman in einem homogenen Nebeneinander. Für Philipp ist die für ihn fremde Sprache seines Freundes Luca Befreiung und Code, mit dem er neue Spielgefährten kontaktiert und erreicht. Dass allen, den LeserInnen, dem Autor wie den fiktive Gestalten, der Verlust von Sicherheiten droht, kann auch als Aufbruch verstanden werden.

Bereits in „Lunaspina“ schildert Pichler das Sterben der Mutter als Selbstfindung des homosexuellen Sohnes im Familien und Freundeskreis. Mit „Störgeräusch“ durchbricht er die Sprachlosigkeit erneut und setzt Sprache ein, um Gefühle und Beziehungen klarzustellen. In wechselnde Perspektiven und schnellen Schwenks entfalten sich in parallel geführten Erzählsträngen Lebensentwürfe, Haltungen und Emotionen, zwischen denen es vorerst kaum Berührungspunkte gibt. Vater wie Sohn überschreiten erst nach dem Tod der Mutter ihre Kommunikations- und Beziehungslosigkeit: Franz öffnet sich einer sexuellen Leidenschaft zu der viel jüngeren Maria. Philipp bricht aus einer mehr oder weniger monogamen Zweisamkeit mit Luca aus, um Körper und Lust neu zu entdecken. Nun entsteht zwischen Vater und Lebensgefährten des Sohnes Nähe. Die Homosexualität des Sohnes ist für ihn jetzt selbstverständlich. Philipp sucht im Chatroom Partner, mit denen er seine bisherigen sexuellen Praktiken erweitert. Gerade in einer bedingungslosen Hingabe und Unterwerfung erfährt er Grenzen von Sex, Leidenschaft und Eros.

Zentrale Motive sind Sehnsucht nach Verbindung und Vernetzung in einer Welt, die von Störgeräuschen dominiert wird. Dieser Dschungel von Telefon, Handy, Internet erzwingt genaues Hinhören. Pichlers Roman wird zu Recht mit David Leavitts „The Lost Language of Cranes“ (Verlorene Sprache der Kräne) verglichen. Er verlangt von seinen Leserinnen höchste Konzentration und die Bereitschaft, eigene Grenzen zu überschreiten.

Peter Jobst (Pride, April 07)

03 April 2007

Buchvorstellung einmal anders





Buchvorstellung einmal ganz anders!

Am Donnerstag, den 29. März 2007 fand in der neuen Mediothek der Handelsoberschule eine außergewöhnliche Autorenlesung statt. Der Bozner Autor Martin Pichler stellte sein neuestes Werk „Störgeräusche" vor.
Die eingeladenen Klassen, die auf einen traditionellen Ablauf gefasst waren (dem lesenden Autor nur zuzuhören) wurden positiv überrascht. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand nicht das Buch selbst, sondern die Schüler/innen mit ihren Fragen und ihrer Neugier.

Um jenen, die noch kein Buch von ihm gelesen haben, einen Eindruck von seiner Schreibweise zu geben, las er eine seiner noch unveröffentlichten Erzählungen vor. Anschließend stand er den Schülern für Fragen zur Verfügung, welche ihn sofort mit persönlichen Fragen bombardierten. Pichler, der seine Homosexualität in seinen Werken geoutet hat, antwortete darauf mit überraschender Offenheit und mit Humor. Er erzählte über die Schwierigkeiten als Autor, dass er z.B. nicht vom Schreiben alleine leben könne, er erzählte auch private Anekdoten und musste nie um die Aufmerksamkeit der Zuhörer/innen bitten.

Sofia Schuen und Elisabeth Valentin 5B