07 November 2006

Hochgradiger Sensualist. Zum Roman "Störgeräusch"


Kommunikationsprobleme: "Störgeräusch" von Martin Pichler
Neuer Roman des Südtiroler Autors - Vater-Sohn-Beziehung im Mittelpunkt eines Sezierens komplizierter Seelen

(Von Werner Thuswaldner/APA)

Das Angebot an Kommunikationsmöglichkeiten hat in jüngerer Zeit beträchtlich zugenommen. Die Schwierigkeiten miteinander zu kommunizieren scheinen, speziell wenn es um eine komplizierte Gefühlslage geht, dadurch um nichts geringer geworden zu sein. Der Südtiroler Autor Martin Pichler (Jahrgang 1970) spürt in seinem neuen Roman "Störgeräusch" vertrackten Beziehungen nach, die nicht bloß deshalb mühsam sind, weil während diverser Telefonate störende Geräusche die Verständigung behindern. Pichler erweist sich dabei als ein hochgradiger Sensualist. Sein ein wenig altväterischer Stil mag in merkwürdigem Gegensatz zur modernen Telekommunikationstechnik stehen, die von den Protagonisten genützt wird - Vergangenheit und Gegenwart scheinen aufeinander zu prallen. Wichtiger ist: Pichler ist ein Unerbittlicher, ein Grübelnder, der mit größtmöglicher Genauigkeit durchleuchtet, was sich in den Köpfen der Beteiligten abspielt, was sie sich an Gefühlen für ihr Gegenüber eingestehen und was nicht. Die Beziehungen haben auch eine körperliche Seite, und auch die wird vom Autor minutiös und mit größtmöglicher Offenheit dargestellt. Die Menschen, um die es geht und die ganz und gar von ihrer Sexualität und ihrer Gefühlswelt bestimmt werden, sind ganz biedere Leute. Eine äußerlich recht unscheinbare Familie steht im Mittelpunkt. Aber das Verhältnis der Mitglieder untereinander ist mindestens so schwer angeschlagen wie in einem Ibsen-Drama. Der Vater ist Gärtner, der Sohn bei der Volksbank angestellt. Die Spannung zwischen den beiden ist das Hauptmotiv des Romans. Sie hat nicht bloß mit der Tatsache zu tun, dass der Sohn homosexuell ist. Jeder ist für sich genug damit beschäftigt, dem Lebensglück hinterherzujagen. Der Vater hat nach dem Tod seiner Frau eine um vieles jüngere Freundin mit zwei Kindern und ist der neuen Situation vor lauter Skrupel nicht gewachsen. Der Sohn treibt sich in Chatrooms herum, sondiert das Gay-Angebot im Internet und betrügt seinen ständigen Freund. Adressaten für diesen Roman sind gewiss nicht Voyeure, wohl aber Leser, die sich für das Sezieren komplizierter Seelen interessieren.