10 Oktober 2006

Familiäre Dramen

Familiäre Dramen scheinen die Spezialität des Südtiroler Autors zu sein. Doch wurde man bisher vor allem mit der allgegenwärtigen Mutter und deren Sterben konfrontiert, so ist Martin Pichler in seinem neuen Roman etwas gelungen, das aufhorchen, manchmal den Atem anhalten lässt:

Die Familiengeschichte von Philipp, dem widerspenstigen schwulen Sohn von Franz und Margareth, wird so erzählt, dass auch die sexuelle Ebene der (inzwischen gestorbenen) Mutter, des (vorsichtig eine neue Liaison mit einer jüngeren Frau wagenden) Vaters sowie seiner Schwester Lea selbstverständliches Thema ist. Dazu kommt die komplizierten Beziehung Philipps zu Luca im Zentrum des schwulen Erzählstrangs: Philipp versucht Luca auf Distanz zu halten und sucht sexuelle Abwechslung im Internet. Dort trifft er auf Diego, der seinerseits darauf achtet, dass nicht zuviel Emotion in ihre gelegentlichen Dates dringt.

Störgeräusche also, wohin man hört: das nicht ausgeschaltete Handy, die Misstöne in der Beziehung, der lebensbedrohliche Herzfehler des Vaters und last but not least die ‚Stimme’ der Mutter, die allgegenwärtig scheint.

Ich wage den Vergleich: ein würdiger Nachfolger von Leavitts "Verlorene Sprache der Kräne"!

www.gaybooks.de